Draghis dramatisches Dilemma oder warum der Zustand der Weltwirtschaft so schlimm ist
Da haben wir ja allesamt mit unseren Erwartungen danebengelegen. Die EZB wird spätestens in diesem Jahr wieder an der Zinsschraube drehen und zwar nach oben. Das war die Meinung fast aller Experten.
Nun, das wird das alles nicht kommen. Wenn ich die jüngsten Äußerungen von Mario Draghi richtig verstehe, ist die Zinswende auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Mindestens jedoch bis weit nach 2020. Zehnjährige Bundesanleihen rentieren sich mit lächerlichen 0,05 Prozent. Ein kompletter Wahnsinn.
Warum mußte Mario Draghi das alles tun, wo doch die Gefährlichkeit einer Fortschreibung des niedrigen Zinsniveaus offensichtlich ist und zu erheblichen ökonomischen Verwerfungen führt?
Anscheinend ist der Zustand der Weltwirtschaft noch dramatischer als bisher angenommen. Einen anderen Schluss lässt die EZB Maßnahme gar nicht zu. Und noch schlimmer: Das Klima kühlt sich noch mehr ab als erwartet.
Beispiel gefällig? Der Auftragseingang der deutschen Industrie ist im Januar im Vergleich zum Vormonat um 2,6 Prozent eingebrochen. Schlimmer noch: Die Bestellung im Maschinenbau sind im Vorjahresvergleich um 9 Prozent gefallen!
Und Deutschland ist wirtschaftlich gesehen keine Insel. Der Euroraum schwächelt genauso, USA und China ebenso. Und dann noch der Brexit. Und dann noch Italien. Und dann noch die ungelöste Schuldenproblematik in vielen Ländern. Ein echt explosives Gemisch. Ob Draghi als Feuerwehrmann eine gute Besetzung ist, darüber streiten sich die Gelehrten füglich.
Und nun? Es ist so, wie es ist, aber es kommt darauf an, als Anleger ersten die richtigen Schlüsse zu ziehen und zweiten die richtigen Schritte zu gehen.
Erster Schritt: Das weiterhin gruselig niedrige Zinsniveau verleitet dazu, windige Anlagealternativen in seine Überlegungen einzubeziehen. Falsch.
Zweiter Schritt: Wer sich verschulden will oder muß (etwa Prolongation einer Immobilienfinanzierung oder Kauf), der hat eine wunderbare Zeit. Je länger die Laufzeit, desto besser. Achtung: Bloß keine variable Zinsbindung vereinbaren.
Dritter Schritt: Wer glaubt, der Aktienmarkt hätte seine Tiefs alle schon gesehen, der irrt. Die Konjunkturschwäche wird uns noch jede Menge Kursverluste bescheren. Die Frage ist nur wann und welche Werte. Konjunkturstabile Aktien sind das Gebot der Stunde.
Bleiben Sie mir gewogen, ich bin es auch.
Über Anregungen für Themenvorschläge freue ich mich sehr.
Stets, Ihr
Reinhold Rombach
„Börsebius“