Aktienmärkte: Defensiv wird sexy

Aktienmärkte: Defensiv wird sexy

Also, aufschlussreiche Prognosen über die Aussichten der Aktienmärkte für die nahe Zukunft zu machen, ist keine leichte Sache, vor allem weil Prognosen halt in die Zukunft gerichtet sind. Nun ist es ja nicht gerade so, daß die Welt mit klaren Signalen um sich schmisse, weder im Guten (steigende Kurse), noch im Schlechten (fallende Kurse).

Für´s Schlechte lassen sich genügend Argumente finden, so starke sogar, daß einem Angst und Bange werden kann. Trumps irrationale twitterale Verbalinjurien gehören sicher ebenso dazu wie die gegenseitige Beharkerei der Russen mit den Amerikanern. Und neuerdings brechen die Märkte zwischendurch dramatisch ein, weil die türkische Lira am Stock geht, der dazu passende Leader aber keineswegs daran denkt, seinen kerzengeraden aufrechten Gang aufzugeben, wiewohl er das in einigen Monaten in Richtung Internationaler Währungsfonds wird tun müssen. Canossa lässt grüßen. Aber bis dahin werden verbale Kraftmeiereien und sinnlose Sanktionen die Märkte weiter in Angst und Schrecken versetzen.

Gleichwohl ist gerade für den deutschen Aktienindex DAX die Lust auf Optimismus noch lange nicht erloschen. Also für das Wahre, Gute, für einen weiter steigenden DAX. Es ist schon erstaunlich, wie die Deutsche Wirtschaft bisher auf alle Sanktionen robust reagiert. Und nicht nur das: die Wirtschaftsleistung ist im zweiten Halbjahr mit einem Plus von einem halben Prozent sogar gestiegen. Sollten also die Zinsen nicht oder noch nicht anziehen, dann gäbe es durchaus Argumente, den DAX weiter zu lieben.

Aber halt: Wer sich die jüngsten Zahlen der deutschen Wirtschaftsleistung genauer anschaut, muß feststellen, daß der bisherige Motor, die Exportleistung, schwächelt und dafür als Ausgleich die Binnennachfrage gestiegen ist. Das heißt natürlich auch, daß bei einem Fortgang oder gar Verschärfung der Wirtschaftssanktionen und Strafzölle die deutsche Wirtschaft stärkere Bremsspuren wird hinnehmen müssen. Und da ich auch nicht sicher bin, daß die Zinsen auf dem derzeit niedrigen Niveau bleiben, denke ich schon, daß es an der Zeit ist, darüber nachzudenken, sein Depot krisenfest zu machen. Dies gilt freilich umso mehr, wie die Zahl der Bekloppten auf der Welt zunimmt, die auch noch was zu sagen (respektive anzuordnen) haben und es natürlich auch tun. Unverschämt und ungeniert, versteht sich.

Doch, wie geht das, ein Depot defensiv machen oder defensiv ausrichten? Zunächst einmal wäre es das Einfachste, alle Aktien zu verkaufen. Dann hätte der Anleger seine Ruhe und braucht sich keine Sorgen mehr zu machen. Um fallende Kurse, versteht sich. Aber, das traut sich natürlich kaum jemand, weil, wenn die Kurse nicht (erwartungsgemäß) fallen, sondern weiter steigen, das Potenzial, sich so richtig zu ärgern viel zu groß ist.

Eine Möglichkeit wäre auch, das Depot abzusichern. Etwa mit Put-Optionen. Auf neudeutsch hieße das short gehen. Ich persönlich bin kein Freund von sowas. Die Materie ist kompliziert, kostet viel Geld und hat den größten Nachteil, daß die Dinger zeitlich immer wieder zwischen den Fingern zerrinnen. Also muß ich nach geraumer Zeit erneut short gehen. Neue Put-Optionen kaufen. Und so weiter. Von Zertifikaten und ETF, mit denen auf fallende Kurse gesetzt werden kann, halte ich erst recht nicht viel.

Keine gute Idee ist übrigens den Anteil des Depots mit Rentenfonds zu erhöhen. Der Grund: Steigen die Zinsen (was ich auf lange Sicht erwarte), fallen die Kurse von Rentenfonds. Also defensiv ist das gerade nicht. Wenn schon, dann sind gemischte Fonds mit einem guten Kurzläuferbestand eine Alternative.

Sicher erwägenswert: Die Struktur des Depots grundsätzlich zu verändern. Exportorientierte Werte verringern und dafür die Zahl der Werte zu erhöhen, denen eine Wirtschaftsflaute nichts oder nicht so viel anhaben kann. Also Konsumwerte wie Nestlé, Danone, Henkel, Procter&Gamble kaufen. Ja, auch Coca-Cola. Die Idee dahinter ist frappierend einfach, aber überzeugend. Essen und Trinken müssen die Leute immer, Putzmittel und Hygieneprodukte kaufen auch. Arzneimittel müssen Sie übrigens auch nehmen. Also können Pharmaaktien auch in einem konjunkturellen Abschwung eine gute Wahl sein. Na ja, damit meine ich jetzt nicht unbedingt Bayer.

Fazit: Defensiv kann durchaus sexy sein. Vor allem im Sparen von Nerven.

Bleiben Sie mir gewogen, ich bin es auch. Über Anregungen für Themenvorschläge freue ich mich sehr.

Stets, Ihr
Reinhold Rombach
„Börsebius“